Schlechtes Hören ist weit verbreitet. Bis zu 25 Prozent der erwachsenen Bevölkerung ist davon betroffen. Deren Zahl nimmt stetig zu. Der Verlust von Hörvermögen ist ein schleichender Prozess, der dem Betroffenen meist gar nicht auffällt. Am bekanntesten dürfte die Altersschwerhörigkeit sein, bei der die Fähigkeit zu hören bedingt durch den Alterungsprozess abnimmt.
Im Restaurant mit Freunden, beim Fest mit der Familie, im Wartezimmer beim Arzt: Wer nicht hört, was andere sagen, geht oft unter und wird schnell ausgegrenzt. Denn unser Ohr ist das „sozialste“ Organ. Hören und Verstehen bedeuten „dazu“ zu gehören. Miteinander Sprechen dient nicht nur der Information, sondern baut auch immer eine Beziehung auf. Klar ist aber, dass eine Hörschädigung oft ein Tabuthema ist. Denn Schwerhörige werden durch ihre schlechte Hörfähigkeit als unfreundlich und interessenlos abgestempelt. Daraus resultiert, dass viele Betroffene diese Behinderung zu verbergen versuchen.
Das schlechte Hören verursacht eine Verschlechterung des Sprachverständnis und hat damit eine erhebliche Einschränkung kommunikativer Prozesse - also nicht nur im Hören, sondern vor allem im Sprachverstehen aus. Denn: Hören ist ein komplexer Vorgang. Das Gehirn hat die Funktion, das Gehörte in Verstehen umzuwandeln. Das passiert in der Hirnrinde, und dazu benötigt man kognitive Fähigkeiten. Wenn durch den Hörverlust etwa nur noch 60 Prozent der Information im Gehirn ankommen, muss es die fehlenden 40 Prozent erahnen bzw. kompensieren. Das funktioniert in jungen Jahren noch relativ gut. Mit zunehmendem Alter wird die Kompensation aber immer schwieriger.
INDIVIDUELLE HÖRFÄHIGKEITSUNTERSUCHUNGEN UND HÖRAKUSTISCHE REHABILITATIONSMASSNAHMEN KÖNNTEN BETROFFENE GEZIELT UND SCHNELL WIEDER IN DAS SOZIALE LEBEN ZURÜCKHOLEN UND IHNEN DIE LEBENSQUALITÄT IN IHREM SOZIALEN UMFELD ZURÜCKBRINGEN.
Mittlerweile gibt es verschiedene technische Hilfsmittel, die das Hören erleichtern. Am bekanntesten sind Hinter-dem-Ohr-Geräte, bei denen das Gerät hinter dem Ohr sitzt, und Im-Ohr-Geräte, die am äußeren Gehörgang sitzen. Daneben gibt es winzige Kanalhörgeräte, die sich direkt im Gehörgang befinden und mit einem dünnen Plastikfaden herausgenommen werden können. Implantierbare Hörgeräte werden operativ eingesetzt und sind nur für wenige Arten von Schwerhörigkeit geeignet.
SCHWERHÖRIGE SOLLTEN SICH ZU IHRER BEHINDERUNG BEKENNEN, VORHANDENE HILFSMITTEL NUTZEN UND PROFESSIONELLE HILFE VOM HALS-NASEN-OHREN ARZT ODER HÖRAKUSTIKER SUCHEN.
Ein vorgetäuschtes Verstehen wird in der Regel irgendwann bemerkt und kann zu Unmut führen. Hilfreich ist es auch, das Hörgerät sichtbar zu tragen. Damit ist die Behinderung sichtbar und gerät nicht so schnell in Vergessenheit.
Ein erster Schritt ist dabei das Sprechen: deutlich, nicht zu schnell und in normaler Lautstärke. Ein zu lautes Sprechen kann vor allem für Hörgeräteträger sehr unangenehm sein und sogar Schmerzen verursachen. In großen Runden ist der Lärmpegel meist automatisch höher. Schwerhörige sollten in das Gespräch integriert werden und über Inhalte informiert werden. Gerade wenn durch ein falsches Verstehen eine falsche Antwort herauskommt und der Rest der Gesprächsrunde lacht, ist es wichtig, dem Schwerhörigen mitzuteilen, warum alle anderen lachen. Denn nur dann ist es möglich, dass die Person mitlachen kann und sich nicht ausgeschlossen oder ausgelacht fühlt. Zu guter Letzt sollten Schwerhörige immer selbst antworten „dürfen“. Das „Einspringen“ von Guthörenden, wenn eine schwerhörige Person nicht sofort antwortet, ist gut gemeint. Es führt aber zu einer Bevormundung des anderen und dieser fühlt sich dann nicht mehr ernstgenommen. Für eine erfolgreiche Kommunikation zwischen Schwerhörigen und Guthörenden müssen beide Seiten aufeinander zugehen. Guthörende können Schwerhörigen das Verstehen erleichtern, indem sie kommunikative Umgangsformen bewusst einsetzen und Empathie zeigen. Dann ist es auch möglich, dass sich die Gesprächspartner in jeder Hinsicht gut verstehen.
Frau Dr. Med. Amineh Solberg, regio-swiss.ch | Ausgabe Zentralschweiz